Rede: Höfesterben stoppen. Schärfere Auflagen und Niedrigpreise gefährden Existenzen

Meine Rede zum Tagesordnungspunkt 23 "Höfesterben stoppen. Schärfere Auflagen und Niedrigpreise gefährden Existenzen" im Januarplenum 2021.

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Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte KollegInnen,

unsere Landwirte demonstrieren dafür, wahrgenommen zu werden. Ihre wirtschaftlichen Spielräume sind klein geworden. Die Liquiditätslage ist angespannt. Seit Jahren werden kaum noch Rücklagen gebildet.

Mir sagt eine Landwirtin, wir haben 2 Möglichkeiten: Aufgeben oder die Flucht nach vorne. Das heißt: Erweitern, Vergrößern, aufstocken, sich hoch verschulden. Das hat in der Vergangenheit meistens funktioniert, also über immer kleinere Gewinnspannen pro Einheit dann über die Menge noch einen auskömmlichen Gewinn zu erwirtschaften.

Jetzt kommen trockene Sommer, Klimawandel, ASP, Corona, Geflügelpest, Mäuseplage und andere Unwägbarkeiten.

Es wird ein unkalkulierbares Unternehmen, sich hoch zu verschulden. Also bewegen sich viele Landwirte auf der Stelle. Dabei sehen sie zu, wie sich durch zusätzliche Auflagen, steigende Kosten und schlechtere Erlöse ihr Gewinn schmälert.

Sie fragt mich: Und wo ist die Perspektive für junge Landwirte? Wo ist unsere Zukunft?

Auf den Erlös haben die Landwirte kaum Einfluss. Verschiedene Absatzwege sind zurzeit weggebrochen u.a. durch Corona oder durch die ASP.

Der Einzelhandel konzentriert sich auf die vier Großen, der gemeinsame Anteil an den Gesamtumsätzen auf dem deutschen Markt beträgt schätzungsweise 85%. Da kommt sie schnell, die Frage nach dem Kartellamt und in Richtung der FDP; ja, ausgewogene Wettbewerbsbedingungen und ein funktionierender Markt sehen anders aus.

Nur eines muss uns allen klar sein, was sich in Jahrzehnten gebildet hat, auch mit Unterstützung von selbsternannten Agrarlobbyisten, dass holt uns jetzt erbarmungslos ein.

Lieber Hermann Grupe, kann ich an der einen oder anderen Stelle in den Forderungen im FDP-Antrag wohlwollend einen Sinn erkennen, wie zum Beispiel bei der Forderung von Kooperationen mit der Landwirtschaft für mehr Bezahlung, Umwelt-, Tier- und Klimaschutz.

Übrigens, noch mal, weil‘s so schön ist: Das haben wir im Niedersächsischen Weg gemeinsam verabredet. Die Lösung ist da!

So gibt es aber auch Passagen, wo ich mir erstaunt die Augen reibe: Vorbehalte gegen internationale Handelsabkommen, wow, das ist neu bei der FDP.

(Auf der offiziellen Seite im Internet fand ich Folgendes: „Wir Freie Demokraten bekennen uns zum regelbasierten Freihandel als Grundlage internationaler Handelsbeziehungen und streben daher langfristig eine weltweite Freihandelsordnung im Rahmen der WTO an. Unabhängig davon unterstützen wir weiterhin den Abschluss bilateraler Handelsabkommen, treten aber für modernere und transparentere Freihandelsabkommen ein.“)

Grundwasserqualität ist uns heilig und Grundlage unseres Lebens. Die stellt mit Sicherheit niemand in Frage. Ganz besonders die EU nicht. Mit Argusaugen schaut sie in die Mitgliedsländer und wir sind gut beraten, EU-Recht zu erfüllen:

Unverschämt war die Vokabel, die ich beim Lesen von ihrer zweiten Forderung, nicht mehr aus dem Kopf bekam. Da suggeriert der Antrag falsche wissenschaftliche Ausarbeitungen, keine objektiven Kriterien, kein fachlich anerkanntes Verfahren beim Thema der „Roten Gebiete“.

Glauben sie denn, mit sowas können sie den LandwirtInnen helfen? Mitnichten, das ist genau die Art von Politik, die ich vorhin beschrieben habe. Sie führt in eine Sackgasse.

Niedersachsen weist derzeit nitrat- und phosphatsensible Gebiete auf Basis einer im September im Bundesrat verabschiedeten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (AVV) neu aus.

Das, was die EU rechtlich erwartet, muss geliefert werden. Was Ministerin Otte-Kinast und Minister Olaf Lies mit ihren Häusern unermüdlich machen, ist zu versuchen, die hohen Anforderungen für einen Schutz unseres Wassers, mit den Gegebenheiten vor Ort übereinander zu bringen. Die Regierung weiß sehr genau, was das für LandwirtInnen bedeutet und arbeitet mit Hochdruck an Lösungen und dafür gebührt ihnen große Anerkennung.

Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner macht es sich da einfacher. Sie sieht sich nicht in der Verantwortung.

Auf Anfrage von NDR 1 Niedersachsen hieß es aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium, Ministerin Klöckner plane ein Gespräch mit den protestierenden Landwirten. Allerdings machte das Ministerium auch deutlich, dass sich die Forderungen der Landwirte nicht so einfach umsetzen ließen. Denn mit der Düngeverordnung müsse EU-Recht umgesetzt werden. Und auf die Lebensmittelpreise habe die Politik keinen Einfluss. Allerdings erwarte die Ministerin vom Einzelhandel, dass er sich mit den Landwirten auf ein faires Miteinander verständige.

Na denn – da lobe ich mir mal unsere Regierung, mit einem Ministerpräsidenten, der sich beim Kampf gegen ein Preisdumping hinter unsere LandwirtInnen stellt, genauso wie unsere Landwirtschaftsministerin und unser Umweltminister.

Der Wunsch nach mehr Wertschätzung für regional erzeugte Produkte ist nachvollziehbar. Wir können nicht tatenlos zusehen, wenn der Absatz von Milchprodukten im Einzelhandel steigt, der weltweite Milchpreis ebenfalls nach oben geht, aber am Ende die Erzeuger in unserem Bundesland davon nichts haben. Während die Landwirte in unserem Land um jeden Cent kämpfen, erzielen die großen Vier des deutschen Lebensmitteleinzelhandels Rekordeinnahmen – da krankt das System, und wir müssen dieser Preisspirale ein Ende setzen.

Lassen sie uns über Lösungen sprechen. Brauchen wir ein freiwilliges sofortiges Preismoratorium seitens des Handels, also keine die Preise weiter drückenden und damit „provozierenden“ Verhandlungsrunden?

Einen freiwilligen sofortiger Verzicht auf Billigwerbung bei Fleisch- und Milchprodukten?

Sollten, als erste transparente Maßnahme des Handels, die Erlösanteile der Landwirte zu kennzeichnen sein, Thema „ehrliche Preise“?

Alles Denkansätze von der Geschäftsführerin der Verbraucherzentrale Niedersachsen, Frau Kristandt.

Ich erlebe LandwirtInnen, als absolut aufgeschlossen, für Veränderungen bereit.

Aber klar muss sein, eine ökologisch verträgliche, sozial gerechte, am Tierwohl orientierte Landwirtschaft muss ökonomisch rentabel sein – und da kommen wir doch wieder zusammen oder?

Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.